#2/22

Gesetz zur Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Baden-Württemberg 2022 und zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften

 

An das
Ministerium für Finanzen
z. Hdn. v. Frau Ministerialdirigentin Dr. Ruppert
Postfach 10 14 53
70013 Stuttgart

Betreff: BVAnp-ÄG 2022
Bezug: Ihr Schreiben vom 14.2.2022
Aktenzeichen: FM1-0320.0-3/51

Sehr geehrte Frau Dr. Ruppert,

für die Möglichkeit, bereits in einem frühen Stadium des Gesetzgebungsverfahrens zur Anpassung der Besoldung als Reaktion auf die Entgeltverbesserungen im Tarifbereich sowie zur Änderung der Besoldungsstruktur aufgrund verfassungsgerichtlicher Vorgaben Stellung nehmen zu können, danken wir.

I.
Wir begrüßen die beabsichtigte zeitgleiche und systemgerechte Umsetzung der vom Land mit den Berufsverbänden der Angestellten des öffentlichen Dienstes ausgehandelten Tarifergebnisse im Bereich der Richter- und Staatsanwaltsbesoldung. Dies entspricht einer unsererseits seit Jahren erhobenen Forderung. Wir verhehlen allerdings nicht, dass weder das Ergebnis der Tarifverhandlungen noch dessen Übertragung auf die Besoldung der Richter und Staatsanwälte die berechtigten Interessen der Beschäftigten zu befriedigen vermag. Die Gehalts- und Besoldungserhöhungen liegen deutlich unterhalb der Geldentwertung, so dass reale Gehaltseinbußen eintreten werden. Das Land wird in künftigen Vergütungsverhandlungen deutliche Einkommensverbesserungen nachholen müssen, um den eintretenden Kaufkraftverlust auszugleichen; ansonsten droht eine weitere Abkoppelung der Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst von der allgemeinen Einkommensentwicklung im ganzen Land.

II.
Ausdrücklich begrüßen wir die beabsichtigte Rückkehr zu dem vor dem 1.1.2013 geltenden Beihilferecht. Für jüngere Richter und Staatsanwälte ergeben sich dadurch reale Einkommensverbesserungen. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Land damit nur eine Regelung zurückzunehmen gedenkt, die bereits auf rechtlicher Ebene mindestens fragwürdig und auf beschäftigungspolitischer Ebene verfehlt war.

III.
Die beabsichtigte Erhöhung der Kinderzuschläge, insbesondere für kinderreiche Bedienstete, halten wir ebenfalls für richtig und notwendig.

IV.
Auch die Zahlung des sog. Corona-Bonus begrüßen wir, regen jedoch ergänzende Regelungen an: Mag die Zwecksetzung der Bonuszahlung, nämlich die durch die Corona-Pandemie verursachten Erschwernisse bei der Erledigung der Dienstgeschäfte mit einem Anerkennungszuschlag zu honorieren, den Ausschluss der Pensionäre von einem solchen Bonus grundsätzlich rechtfertigen, so sollte wenigstens für die Pensionäre, die während der Corona-Krise in den Ruhestand getreten sind, also noch einen Teil der pandemiebedingten Erschwernisse im aktiven Dienst mittragen mussten, eine zeitanteilige Bonuszahlung beschlossen werden. Die vorgesehene Stichtagsregelung erscheint uns zu wenig differenziert.

Im Übrigen sollte für die Pensionäre ein Ausgleich für die Zeitspanne bis zur weit zurückgestellten Besoldungsanpassung erfolgen. Ohne einen solchen Ausgleich tragen die Ruhestandsbeschäftigten die Lasten der hohen Geldentwertung ohne jede Kompensation. Dies erscheint angesichts der sehr deutlichen Geldentwertung nicht hinnehmbar, zumal die derzeitige politische Lage mit den kriegerischen Auseinandersetzungen in Osteuropa einen weiteren Teuerungsanstieg erwarten lässt.

V.
Die beabsichtigte Anhebung der Besoldung im mittleren und gehobenen Dienst ist nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinen Entscheidungen vom 4.5.2020 geboten und notwendig und findet deshalb unsere volle Zustimmung. Keinerlei Verständnis haben wir hingegen für die Absicht, den Richtern und Staatsanwälten die für den mittleren und gehobenen Dienst vorgesehenen strukturellen Besoldungsverbesserungen zu verweigern. Wir sind der Überzeugung, dass dies nicht den Maßstäben gerecht wird, die das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen vom Mai 2020 herausgearbeitet hat. Die Anhebung der Besoldungsgruppen des mittleren und gehobenen Dienstes ohne abstandswahrende Verbesserungen der R-Besoldung bedeutet nichts anderes als eine Relativierung der im bisherigen Besoldungsgefüge abgebildeten Wertigkeit der Richter- und Staatsanwaltsämter. Tatsächlich hat sich das Gewicht der Rechtsprechung und der Strafverfolgung in Staat und Gesellschaft – und damit die Wertigkeit dieser Ämter - in den letzten Jahren nicht vermindert, sondern erheblich erhöht. Dies zeigen die zunehmende mediale Aufmerksamkeit, die die 3. Gewalt erfährt, die der Rechtsprechung abverlangte wirtschafts- und gesellschaftspolitisch bedeutsame Regulierung der Kräfteverhältnisse zwischen Verbrauchern und großen Unternehmen (Stichworte: Diesel-, Darlehens- und Versicherungswiderrufs-Massenverfahren), aber auch die Kontrollfunktion der Rechtsprechung gegenüber der Exekutive in der Corona-Pandemie.

In unseren bisherigen Gesprächen mit Vertretern des Regierungslagers haben wir mit unseren Argumenten leider keinerlei Gehör finden können. Solches ist daher wohl auch im jetzt eingeleiteten Gesetzgebungsverfahren nicht ernsthaft zu erwarten. Wir werden deshalb zu gegebener Zeit zu prüfen haben, ob wir unseren Mitgliedern die Einlegung von Widersprüchen gegen die Besoldungsbescheide empfehlen müssen mit dem Ziel, erneut den Rechtsweg zu beschreiten. Wir dürfen daran erinnern, welche Kostenlast unserem Bundesland entstanden ist, als wir das letzte Mal diesen Weg beschreiten mussten.

Mit freundlichen Grüßen,

Wulf Schindler