Stuttgart, 11.06.2021

Die Stuttgarter Zeitung berichtet in ihrer heutigen Ausgabe über die gerichtlich verfügte Freilassung eines verurteilten Straftäters, weil dessen rechtskräftig angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mangels Therapieplatzes erst in sechs Monaten erfolgen könne. Sie fasst die Stellungnahme des für die suchttherapeutische Unterbringung von Straftätern zuständigen baden-württembergischen Sozialministeriums zu diesem Vorgang wie folgt zusammen:


„Die Schuld am Mangel sieht das Sozialministerium bei den Gerichten. Sie ordneten immer öfter und ‚teilweise unsachgemäß‘ die Unterbringung im so genannten ‚Maßregelvollzug‘ an. So würden Plätze durch Personen blockiert, die keiner Therapie bedürften oder schlicht nicht therapierbar seien, so das Ministerium.“


Dieser unsachlichen Schuldzuweisung tritt der Verein der Richter und Staatsanwälte in Baden-Württemberg mit Nachdruck entgegen. Der Bundesgerichtshof hat seit Jahren die therapeutische Unterbringung von Straftätern verstärkt in den Blick genommen, die von Drogen oder Alkohol gefährdet sind. Die Tatgerichte haben in solchen Fällen zwingend den Rat eines psychiatrischen Sachverständigen einzuholen. Dass als Folge dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung vermehrt Menschen in Entziehungsanstalten untergebracht werden und dies zunehmend auf Kapazitätsschwierigkeiten stößt, ist Gerichten und Sachverständigen, aber auch dem für die Schaffung der Unterbringungsplätze zuständigen Sozialministerium seit Jahren bekannt. Vor diesem Hintergrund rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen als „teilweise unsachgemäß“ zu bezeichnen, zeigt Defizite im Verständnis der Gewaltenteilung und mangelnden Respekt vor der richterlichen Unabhängigkeit auf.


Wulf Schindler
Verein der Richter und Staatsanwälte in Baden-Württemberg
- Landesvorsitzender –
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