Dresden. Im Rahmen der bundesweiten Veranstaltungsreihe „Justiz im Dialog“ luden der Deutsche Richterbund (DRB) und der Sächsische Richterverein am 20. August zur öffentlichen Veranstaltung zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) in der Justiz ein.
Zu den Möglichkeiten, Grenzen und Herausforderungen berichteten Gerrit Hornung, Leiter des Fachgebiets Öffentliches Recht, IT-Recht und Umweltrecht und stellvertretender geschäftsführender Direktor des Instituts für Wirtschaftsrecht im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Kassel und Claudia Glausch von der Leitstelle für Informationstechnologie der Sächsischen Justiz (LIT). Ein Fazit des Abends: KI betrifft uns alle. Denn KI-freie Arbeitsplätze gibt es bereits nicht mehr. Dabei verläuft die Entwicklung so rasant, dass keine verlässliche Einschätzung darüber abgegeben werden kann, was in fünf oder zehn Jahren möglich ist.
Zwar verfügten ChatGPT & Co. nicht über eigene Erkenntnisse, sondern „halluzinierten“ ihre Ergebnisse anhand der zur Verfügung gestellten Inhalte. Darin werden sie aber stetig besser, verdeutlichte Hornung am Beispiel der „bar examination“ in den USA. Während die Version 3.5. von ChatGPT zwar die Prüfung bestand, aber mit den unteren 10 Prozent abschnitt, lag die Version 4.0 bereits in den oberen 10 Prozent der Prüflinge. KI, die ohne Wissen der Beteiligten eingesetzt wird, befindet sich bereits „als Elefant im Raum“, so Hornung. Hier mahnte er eine Regulierung an. Dennoch müsse man diskutieren, ob der Einsatz von KI nicht geboten sei, wenn die KI Dinge besser könne als der Mensch. Als Beispiele nannte er aus dem Justizbereich das Erkennen von Mustern und das Sichten großer Datenmengen. Auch für die außergerichtliche Streitbeilegung könne sich KI durchaus eignen, so Hornung. Für Streitende könnte es interessanter sein, innerhalb einer Minute eine zu 80-90 Prozent richtige Entscheidung zu erhalten, als Jahre auf eine „menschliche“ Entscheidung zu warten.
Die neue KI-Verordnung stuft den KI-Einsatz in der Justiz als Hochrisikoeinsatz ein, erläuterte Hornung weiter. Verfassungsrechtlich müsse darüber nachgedacht werden, ob Richterinnen und Richter im Rahmen des Einsatzes von KI noch unabhängig seien, ob die KI den Rechtssuchenden den gesetzlichen Richter entziehe und ob die Rechtsprechung bei zunehmendem KI-Einsatz überhaupt noch den Richtern anzuvertrauen sei. KI sei strukturkonservativ, da lediglich auf bereits eingespeiste Daten zurückgegriffen werde. Damit ist sie kein Instrument der Rechtsfortbildung, sagte Hornung. Weitere große Problemfelder seien seiner Ansicht nach die diskriminierungsfreie Anwendung von KI im Hinblick auf die Trainingsdaten und das verzerrungsfreie „Prompten“, womit die Art des Abfragens gemeint ist.
In Sachsen beschäftigt sich die LIT zwar seit einiger Zeit und mit nunmehr vier Mitarbeitern mit dem Einsatz von KI-Anwendungen, berichtete Glausch in ihrem anschließenden Vortrag. Dafür bestehe eine Kooperation mit dem Institut für angewandte Informatik e. V. der Universität Leipzig. Es werden so Kompetenzen aufgebaut und der Markt bezüglich schon vorhandener Lösungen erkundet. Ziel sei es, repetitive Arbeiten auf die KI zu verlagern, die Informationsflut mit Hilfe der KI zu bewältigen und sich die KI bei der Überbrückung von Medienbrüchen zunutze zu machen. Workshops mit der Praxis wurden bereits durchgeführt. Im Ergebnis könnten mögliche Einsatzfelder das Abarbeiten einfacher Verfügungen („Doppel an Gegner“), die automatische Übernahme von Metadaten für Dokumente in der E-Akte, die PKH-Vorprüfung und der Abgleich von Angaben und Akten beziehungsweise Belegen bei Kostenprüfungen, Übersetzungsdienste oder Entscheidungsdatenbanken sein. Hingegen werde es für den richterlichen Kernbereich, die Bearbeitung komplexer Rechtsfragen und die Gesetzesanwendung weiter auf den Menschen ankommen, unterstrich Glausch.
Es ist also noch etwas Zeit, die von Hornung aufgeworfenen Fragen zu diskutieren. Beim anschließenden Empfang wurde aber bereits der Anfang gemacht.