Klage der Justizministerin gegen den Präsidialrat

Klage der Justizministerin gegen den Präsidialrat


Pressemitteilung vom 27.06.2022

Im Streit mit dem Präsidialrat der ordentlichen Gerichtsbarkeit um die Besetzung des Präsidentenpostens am OLG Stuttgart hat Justizministerin Gentges eine Eskalationsstufe beschritten, die in der Richterschaft in großem Umfang Fassungslosigkeit und Empörung ausgelöst hat.

Die Justizministerin sieht davon ab, entsprechend der Gesetzeslage eine unverzügliche Entscheidung des Richterwahlausschusses (bestehend aus Landtagsabgeordneten, Richtern und einem Rechtsanwalt) herbeizuführen. Stattdessen beschreitet die Ministerin den Verwaltungsrechtsweg mit dem Vorwurf, der Präsidialrat habe rechtswidrig seine Befugnisse überschritten. Sie kündigt damit den jahrzehntelangen Konsens zwischen Justizministerium und Richterschaft über Aufgaben und Befugnisse des Präsidialrats auf.

Die Argumentation der Ministerin zielt im Ergebnis darauf ab, die Mitwirkungsrechte der Richterschaft bei der Besetzung von Beförderungsämtern massiv einzuschränken, wenn nicht gar zu marginalisieren. Die Richterschaft ist entsetzt über diesen Angriff auf die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz. Könnte sich die Justizministerin damit durchsetzen, so wäre das Vertrauen der Richterschaft in eine sachgerechte, alleine an den Kriterien der Eignung und Befähigung orientierte Besetzung der Beförderungsämter ganz erheblich beschädigt; denn dieses Vertrauen fußt maßgeblich auf der bisherigen starken Stellung des Präsidialrats.

Das Konsensualmodell der baden-württembergischen Präsidialratsverfassung vereint im Rahmen der Vorgaben des Grundgesetzes die unabhängige Stellung der Justiz im System der Gewaltenteilung mit dem Prinzip der demokratischen Legitimation durch die Beteiligung von Präsidialrat und Richterwahlausschuss. Sie ist Garant einer unabhängigen Dritten Gewalt, die frei von politischer Einflussnahme ist.

Die nunmehr gewählte Vorgehensweise stellt einen empfindlichen Rückschlag für die institutionelle Unabhängigkeit der baden-württembergischen Justiz von der Exekutive dar. Das Ansehen der Justiz könnte sogar in der internationalen Wahrnehmung ernsthaften Schaden nehmen. Bei aller anerkannten sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit deutscher Richter wird die institutionelle Abhängigkeit der deutschen Justiz von der Exekutive innerhalb der Europäischen Union kritisch beäugt. Baden-Württemberg brauchte diese Kritik wegen der starken Stellung seiner Präsidialräte bislang nicht zu fürchten. Dies wird sich substantiell ändern, sollte sich die Justizministerin mit ihrer Auffassung durchsetzen. Der Image- und Vertrauensschaden ist jetzt schon immens.

Der Deutsche Richterbund Baden-Württemberg als größter Berufsverband von Richterinnen und Richtern und Staatsanwältinnen und Staatsanwälten fordert die Justizministerin deshalb eindringlich auf, den beschrittenen Weg nicht weiter zu gehen und zum bewährten gesetzlichen Verfahren zurückzukehren.

Raphael Deutscher
Deutscher Richterbund Baden-Württemberg
- Pressesprecher -
Hauffstraße 5
70190 Stuttgart

 

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